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Chase fuhr aus dem Anwesen des Ordens davon, kribbelig vor Frustration. Denn heute Nacht würde er nicht auf Patrouille gehen. Alle Krieger waren auf Einzelmissionen verschwunden, und nun hatte Chase allein mehrere Stunden Dunkelheit totzuschlagen.
Der Tod von Camdens Freund letzte Nacht machte ihm immer noch zu schaffen und verdeutlichte ihm, dass die Uhr schnell tickte - wenn er denn überhaupt eine Chance hatte, seinen Neffen lebendig nach Hause zu bringen. Chase fuhr an einigen der Clubs vorbei, zu denen Dante ihn bei ihren Streifzügen durch die Innenstadt mitgenommen hatte, sowohl den einschlägigen als auch den weniger bekannten Orten, wo Menschen und Vampire zusammenkamen.
Er suchte die Straßen und Hafenanlagen nach Camden ab, forschte nach einer Spur von ihm oder seinen Freunden. Mehrere Stunden vergingen, ohne dass er etwas entdeckt hätte.
Chase stand gerade irgendwo in Chinatown und war schon dabei, sich auf den Rückzug zum Dunklen Hafen zu machen, als er sah, wie vor ihm auf der Straße zwei junge Stammesvampire mit ein paar Mädchen die Tür einer namenlosen Lokalität öffneten und hineingingen. Sofort stellte er den Motor des Lexus ab und stieg aus dem Wagen. Als er sich dem Gebäude näherte, in dem die Gruppe verschwunden war, hörte er laute Technomusik, die offenbar aus einem unterirdisch gelegenen Raum heraufdrang. Er öffnete die Tür und schlüpfte hinein.
Unten, am Ende einer langen, schwach erleuchteten Treppe, war wieder eine Tür, vor der ein Rausschmeißer - ein Mensch - postiert war, aber Chase kam problemlos an dem Muskelprotz in Gruftiemontur vorbei, indem er ihm kurzerhand einen Hundertdollarschein in die Hand drückte.
Tiefe, wummernde Bässe dröhnten in seinem Kopf, als er den überfüllten Club betrat. Zuckende Körper, wohin er auch blickte, die Tanzenden hatten in einer gigantischen pulsierenden Masse den gesamten Raum in Beschlag genommen. Er ließ seinen Blick über die dichte Menge schweifen und arbeitete sich langsam vor, die rhythmischen blauen und roten Lichtblitze brannten ihm in den Augen.
Er prallte mit einer betrunkenen jungen Frau zusammen, die mit einigen Freundinnen getanzt hatte. Chase murmelte eine Entschuldigung, die sie vermutlich im Lärm gar nicht hören konnte. Als er sie festhielt, damit sie nicht hinfiel, bemerkte er zu spät, dass er seine Hände ausgerechnet auf ihren festen, runden Arsch gelegt hatte.
Sie lächelte ihn einladend an und leckte sich die Lippen, rosa gefärbt von einem roten Stiellutscher, den sie im Mund hatte.
Jetzt tanzte sie näher an ihn heran und begann sich an ihm zu reiben - und ihre Bewegungen waren eindeutig sexuell.
Chase starrte auf ihren Mund, dann auf die schlanke, weiße Säule ihres Halses.
In seinen Venen begann es zu summen, ein Fieber überkam ihn.
Er sollte gehen. Wenn Camden irgendwo hier drin war, waren die Chancen gering, ihn in der Menge zu finden. Zu viele Menschen, zu laut.
Die Frau wand ihre Hände um seine Schultern und rieb sich an ihm, sodass sich ihre Schenkel berührten. Ihr Rock war lächerlich kurz, so kurz, dass er, als sie sich umdrehte und ihren Arsch an seinen Schritt presste, sah, dass sie überhaupt nichts darunter trug.
Herr im Himmel.
Er musste hier raus …
Von hinten umfasste ihn ein weiteres Paar Arme, eine ihrer Freundinnen wollte offenbar auch mitspielen. Eine Dritte schob sich dazwischen, und dann küsste sie die erste, lange und nass.
Beide sahen Chase an, während ihre Zungen wie Schlangen umeinander glitten.
Sofort wurde sein Schwanz steif. Prompt griff die Frau hinter ihm hinab und streichelte die Beule mit geübten, gnadenlosen Fingern. Chase schloss die Augen und spürte, wie sich ein anderer Hunger in seine Lust mischte, ein Hunger, den er fast so lange nicht gestillt hatte wie seinen Sexualtrieb. Er war am Verhungern, sein Körper gierte nach Erfüllung, nach Erleichterung.
Die beiden Frauen brachten ihren Kuss nun zu ihm, sie teilten sich seinen Mund, während die Menge um sie herum tanzte und sich nicht um die erotische Darbietung scherte, die da in ihrer Mitte vor allen Augen stattfand. Sie waren nicht allein; Chase entdeckte mehr als ein Paar, das ebenfalls zur Sache kam, sah mehr als einen Vampir, der in der sexuell aufgeladenen Atmosphäre des Clubs eine Quelle gefunden hatte.
Mit einem Knurren schob Chase die Hand unter den kurzen Rock der Ersten. Grob riss er den Stoff in die Höhe, sodass sie sich ganz seinem hungrigen Blick darbot. Gleichzeitig zog ihre Freundin mit der Zunge eine heiße Spur über seinen Nacken.
Seine Fänge wurden riesig in seinem Mund, als er mit dem Finger in die nasse Spalte fuhr, die seinen Schenkel ritt. Ihre Freundinnen machten sich an seinem Hosenschlitz zu schaffen und griffen hinein, um seine Erektion zu bearbeiten. Begierde baute sich in ihm auf, der Drang, zu ficken und Blut zu trinken, überwältigte ihn. Er packte eine der Frauen grob an der Schulter und stieß sie vor sich zu Boden. Sie ging auf die Knie, befreite seinen Schwanz und nahm ihn in den Mund.
Als sie ihn heftig blies und die andere auf seiner Hand ihrem eigenen Höhepunkt entgegenritt, zog Chase die Dritte näher an seinen Mund. Seine Fänge pulsierten jetzt noch stärker als sein Schwanz, seine Sicht schärfte sich, als ihm der Hunger die Pupillen zu schmalen Schlitzen zusammenzog und all seine Sinne steigerte. Die Frau presste ihren warmen Hals an seinen Mund, und er öffnete die Lippen. Mit einem scharfen Stoß fuhr er auf sie nieder, öffnete ihr die Vene und sog das dicke, warme Blut durch die Zähne.
Chase trank schnell und gründlich, entsetzt von diesem uncharakteristischen Kontrollverlust. Aber er konnte nicht aufhören. Er trank in tiefen Zügen, und mit jedem Zug aus der Vene seiner Blutwirtin zog sich die Begierde in seinen Lenden fester zusammen. Er stieß mit den Hüften zu, die Faust im Haar der Frau, die ihn Stoß für Stoß seinem Orgasmus entgegentrieb. Es ging schnell, durchzuckte ihn heiß …
Mit einem wütenden Stoß explodierte er, den Mund immer noch fest auf seine Quelle gepresst. Mit der Zunge fuhr er über die Bisswunden und versiegelte sie. Sie keuchte, atemlos von ihrem eigenen Orgasmus, und alle drei Frauen hatten jetzt ihre Hände auf ihm, ließen ihn nicht los, sondern maunzten und wimmelten nach mehr.
Chase machte sich von ihnen los. Er hasste sich für das, was er eben getan hatte. Mit der Handfläche fuhr er seiner Blutwirtin über die Stirn und löschte ihre Erinnerung aus. Dasselbe tat er mit den beiden anderen. Jetzt wollte er unbedingt von hier verschwinden, so sehr, dass er fast zitterte. Als er seinen Schwanz in die Hose zurücksteckte, fühlte Chase ein Kribbeln seine Wirbelsäule hinaufwandern.
Jemand auf der anderen Seite des Raumes sah ihn an. Er durchsuchte die Menge nach dieser Störung … und starrte in das Gesicht eines Ordenskriegers.
Tegan.
So viel dazu, dass er für sich einen höheren Standard beanspruchte als die Stammeskrieger, die ein Leben der Gewalt und fast schon Selbstjustiz gewählt hatten.
Wie viel von seinem entwürdigenden Kontrollverlust hatte Tegan mit angesehen? Wahrscheinlich alles, obwohl die Miene des Vampirs nichts verriet und er ihn lediglich mit einem kalten, ausdruckslosen, wissenden Blick anstarrte.
Dann drehte sich der Krieger einfach um und schlenderte aus dem Club.
Vom Flachbildschirm seines Computers starrte Dante ein Paar hellgelber Augen mit geschlitzten Pupillen entgegen. Der Mund der Bestie stand offen, die Lefzen waren hochgezogen, sodass Fänge von beachtlicher Größe sichtbar wurden. In ihrem Blick lag nichts als tobende, schäumende Wut. Aber laut Bildunterschrift des Fotos war eine süße, anschmiegsame Diva, die heute mit dir nach Hause kommen will darauf zu sehen.
„Herr im Himmel“, murmelte Dante angewidert. Diesen wutschnaubenden, animalischen Ausdruck sah er jeden Abend an der Oberfläche, wenn er Rogues jagte.
Zur Hölle noch mal, denselben Abschaum konnte er in seinem eigenen Spiegel sehen, wenn der Hunger nach Blut, die Lust oder die Wut seine primitive Natur zum Vorschein brachte. Auch der Schmerz in seinen Albträumen hatte denselben Effekt: seine Pupillen verengten sich zu Schlitzen, seine hellbraunen Augen glühten bernsteinfarben, und seine Fangzähne fuhren sich aus.
Gerade heute hatte er wieder einen dieser höllischen Träume gehabt. Gegen Mittag hatte er ihn aus einem todähnlichen Schlaf aufschrecken lassen, und noch Stunden danach war er schweißüberströmt und zittrig gewesen. Diese verdammten Träume häuften sich in letzter Zeit und wurden immer intensiver. Und die bohrenden, dröhnenden Kopfschmerzen, die sie hinterließen, waren auch nicht von Pappe.
Dante bewegte die schnurlose Maus neben seiner Tastatur, scrollte von der Kategorie Katzen hinunter zu den Hunden. Er klickte den Knopf an, um die Liste der Tiere aufzurufen, die ein neues Heim suchten, und überflog die Fotos. Ein paar sahen vielversprechend aus für seine Zwecke, besonders ein trauriger Geselle namens Barney hatte es ihm angetan, der besondere Pflege benötigte und davon träumte, seine letzten goldenen Jahre an einem netten, warmen Plätzchen verbringen zu dürfen.
Ja, der müsste passen. Etwas Längerfristiges wollte er auf keinen Fall.
Dante klappte sein Handy auf und wählte die Nummer des Tierheims. Nach dem fünften Läuten nahm endlich eine Kaugummi kauende junge Frau mit starkem Bostoner Akzent ab.
„Heimtierhilfe Eastside, kann ich Ihnen helfen?“
„Ich brauche eines Ihrer Tiere“, sagte Dante zu ihr.
„Bitte?“
„Der Hund auf Ihrer Website, der alte. Den will ich.“
Einen Moment lang war es still am anderen Ende, dann hörte er eine Kaugummiblase knallen. „Oh! Sie meinen unsren Baahney?“
„Genau den.“
„Tut mir leid, aber der ist schon adoptiert worden. Ist der immer noch auf unserer Site? Die müssen ihn beim letzten Update vergessen haben. Was für eine Art Hund hätten Sie denn gern? Wir haben noch ein paar andere da, die gute neue Plätze suchen.“
„Ich brauche ein Tier noch heute Abend.“
Er hörte ein unsicheres kleines Lachen. „Ah, so arbeiten wir eigentlich nicht. Sie müssten schon herkommen und einen Antrag ausfüllen und dann auf ein Gespräch mit einer unserer …“
„Ich kann bezahlen.“
„Nun, das wäre schon in Ordnung, wir müssen nämlich einen kleinen Spendenbetrag erheben, für tierärztliche Behandlung und …“
„Wären hundert Dollar genug?“
„Ähm …“
„Zweihundert?“, fragte er, der Preis war ihm vollkommen egal. „Es bedeutet mir sehr viel.“
„Ja“, sagte sie, „ja, ähm, den Eindruck hab ich auch.“
Dante machte seine Stimme tief und konzentrierte sich auf den beeinflussbaren menschlichen Verstand am anderen Ende der Leitung. „Helfen Sie mir aus der Klemme. Ich brauche wirklich eines Ihrer Tiere. Jetzt wollen wir beide mal ein wenig nachdenken, und dann sagen Sie mir, was ich tun muss, um ein Tier von Ihnen zu bekommen.“
Einige Sekunden lang zögerte sie. „Hören Sie, dafür könnte ich meinen Job verlieren, aber wir haben einen Hund da, er ist heute erst bei uns reingekommen und noch nicht mal untersucht worden. Aber sein Zustand ist schlecht, und ich sag’s Ihnen ehrlich, eine Augenweide ist er auch nicht. Wir haben gerade keinen Platz für ihn, deshalb soll er morgen früh gleich eingeschläfert werden.“
„Den nehme ich.“ Dante sah auf die Uhr. Es war kurz nach fünf, zum Glück war es hier in Neuengland um die Zeit an der Oberfläche schon dunkel. Harvard würde sich in den nächsten vier Stunden noch nicht im Hauptquartier blicken lassen. Was ihm viel Zeit gab, um diese kleine Transaktion zu erledigen, bevor er sich mit dem Agenten zur Patrouille aufmachen musste.
Er stand auf, nahm Mantel und Schlüssel. „Ich bin unterwegs.
In zwanzig Minuten bin ich da.“
„In Ordnung. Um halb sechs machen wir zu, aber ich warte auf Sie. Kommen Sie einfach zur Hintertür und fragen nach Rose. Das bin ich.“ Wieder ließ sie eine Kaugummiblase knallen, ihr Kiefer arbeitete hektisch. „Ähm, und das Geld - die zweihundert? Können Sie die in bar bringen?“
Dante lächelte, als er sich zur Tür aufmachte. „Aber klar doch.“